Landwirtschaftliches Institut in Jena und Zwätzener Ackerbauschule (X) - Kulturlandschaft Zwätzen e.V.

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Landwirtschaftliches Institut in Jena und Zwätzener Ackerbauschule (X)

Historisches

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Unter dem philosophisch gebildeten Nationalökonomen Friedrich Gottlob Schulze, der 1839 aus Eldena nach Jena zurückgekehrt war, entwickelte sich das Landwirtschaftliche Institut mit seiner praxisbezogenen Außenstelle in Zwätzen zu einer tragenden Säule der Universität in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer bis in das 20. Jahrhundert weisenden Perspektive. In Jena wurde er in seiner wissenschaftlichen Stellung zum bahnbrechenden Reformator der Landwirtschaftslehre, nach dessen Muster das neuartige Fach an deutschen Universitäten Eingang fand. Sein Institut strahlte organisatorisch und dem Lehrplan nach auf sämtliche landwirtschaftliche Akademien und speziell alle preußischen Lehranstalten aus. Durch die enge Verbindung vom Jenaer Institut und Zwätzener Versuchsgut und "Landwirtschaftlichen Verein" gab er der Entwicklung der deutschen Landwirtschaft entscheidende Impulse. Im Frühjahr 1844 war Schulzes lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen, die Kammergüter Zwätzen und Lehesten privat zu pachten. Zu beiden Gütern gehörten rund 1.500 preussische Morgen Land sowie eine eigene Bierbrauerei.

J. G. Schulze, ca. 1885
aus dem Jenaer Professorenalbum


Die Mehrzahl der Vorlesungen und Seminare des neuen Instituts übernahm Schulze selbst, vor allem in Nationalökonomie, Pflanzenbau, Bodenkunde, Betriebslehre und Viehzucht. In der Bekanntgabe der Lehrveranstaltungen in der "Dorfzeitung", Nr. 33, vom 25. Februar 1846 über die Vorträge des nächsten Sommers, waren 12 Fächer enthalten. Eingangs hob er hervor, daß "zur Förderung des praktischen Unterrichts [...] im Jahre 1844 die Bewirthschaftung des Großherzoglichen Kammerguts Zwätzen mit dem Institute verbunden" sei. Schulze gab auch den Anstoß zur Gründung der "Agronomia" von 1850, einer neuartigen nichtschlagenden Studentenverbindung, die sich in sittlicher Hinsicht von den anderen Jenaer Studentenkorporationen abhob. Schulze hatte seine Studenten fast immer persönlich immatrikuliert, wobei er die Eignung für das Studium nicht vom Nachweis gymnasialer Vorbildung abhängig machen wollte. Folglich haftete den Landwirtschaftsstudenten ein auch gewisser Makel an, man wollte sie nicht in den Kreis der "akademischen Bürger" aufnehmen und verspottete sie gern als "Stoppelhopser", "Kloßtreter" oder "Mistfinken". Eine erfolgreiche Bilanz vor allem der Jahre nach seiner Rückkehr aus Eldena konnte Schulze im Jubiläumsjahr 1858 ziehen. In seinen "Geschichtlichen Mitteilungen" gab Schulze bekannt, daß bis 1858 insgesamt 1100 Land- und 131 Volkswirte ausgebildet worden waren. An dieser Stelle fand erneut auch eine Auseinandersetzung mit der Agrikulturchemielehre Liebigs und der französischen Nationalökonomie statt. Sein praktisches Volksbildungskonzept fand Ausdruck im alljährlichen Probepflügen in Zwätzen mit den jeweils neuesten Maschinen, verbunden mit einem großen Bratwurstessen. Unterstützung fand er auch in der Weimarer Großherzogin, die ihm die damals modernste Dreschmaschine zur Verfügung stellte.


Die Zwätzener Ackerbauschule verdankte ihre Existenz vor allem aber der großzügigen Sponsorschaft der seit 1804 mit Großherzog Carl Friedrich verheirateten Großherzogin Maria Pawlowna (1786-1859), der russischen Zarentochter. In erster Linie von ihr ging 1849 die Initiative aus im Sinne der öffentlichen Wohlfahrt, eine sogenannte "Arbeits- oder Wehrli-Schule" nach Schweizer Vorbild zu begründen, womit sie Schulze beauftragte. Auch die entscheidende Anschubfinanzierung kam von ihrer Seite, indem sie nämlich ein Kapital von 2000 Thalern und den 1365 Talern betragenden Überschuß aus dem Verkauf einer "zu Ehren Höchstderselben gestifteten Denkmünze" bestimmte . Diese, zunächst noch von Maria Pawlowna und durch Zuwendungen des Zwätzener Vereins und ehemaliger Studenten unterhaltene Wehrli-Schule, welcher 1856 die Rechte einer milden Stiftung verliehen worden war, wurde am 14. Januar 1858 in eine Ackerbauschule umgewandelt und nach dem Tod Schulzes 1860 verstaatlicht. Sie war eine Ganzjahres- und Ganztagsschule mit gleichermaßen theoretischen und praktischen Unterrichtsanteilen. Ein Jahr darauf, im April 1861, konnten Lehrer und Schüler einen renommierten ausländischen Gast, den russischen Schriftsteller Lew Tolstoi, als Gast der "Carl-Friedrich-Ackerbauschule" in Zwätzen begrüßen. Zu den bereits genannten Eigenleistungen Schulzes kam in Fortsetzung der Stiftungstradition Maria Pawlownas im Jahre 1895/96 eine durch Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach ins Leben gerufene "Carl-August-Stiftung" (Grundkapital 7200 Mark).

Großherzog Carl Friedrich,
Kreidezeichnung von Luise Seidler


Maria Pawlowna,
Lithographie nach H. Müller, undat.


Probepflügen mit Schulze in Zwätzen, 1856

Carl-Friedrich-Ackerbauschule Zwätzen, Lithographie um 1876

© 2007, Dr. Thomas Pester

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