Der Thüringische Chronist Johannes Rothe und der Deutsche Orden Zur Genesis eines historischen Irrtums (III) - Kulturlandschaft Zwätzen e.V.

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Der Thüringische Chronist Johannes Rothe und der Deutsche Orden Zur Genesis eines historischen Irrtums (III)

Historisches

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Da Hochmeister Hermann von Salza nachweislich wiederholt seine thüringische Heimat aufgesucht hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der einflußreiche Diplomat auch den legendären Wettstreit der berühmtesten Minnesänger der Zeit selbst mit erlebt haben könnte. Nach Behauptungen des Eisenacher Chronisten Johannes Rothe (geb. in Creuzburg um 1360-1434) soll dieser am 7. Juli 1206 auf der Wartburg stattgefunden haben. Rothe war derjenige, der ausdrücklich die Wartburg als Schauplatz verortete und zugleich dem Gedicht den noch heute gebrauchten Namen gab. Die Überschrift des betreffenden Abschnitts des Chronicon Thuringiae lautet: Von der sengerkrige zcu Warperg. Genauer gesagt handelte es sich bei Rothe um das ritterhus der Wartburg. Unter Landgraf Hermann I., dessen Aufenthalt auf der Wartburg erst für das Jahr 1211 bezeugt ist, wurde die Festung zur landgräflichen Residenz mit pfalzartigem Charakter ausgebaut und erst gegen 1225 konnte der eigentliche Pallas, in dem sich der "Sängersaal" befindet, von Ludwig IV. vollendet werden. Landgraf Hermann, der sich ebenfalls dem höfischen Ritterideal verpflichtet fühlte, brachte der zeitgenössischen Spruchdichtung und der Minnelyrik grosses Interesse entgegen. Die Aufenthalte namhafter Dichter wie Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach am thüringischen Landgrafenhof bezeugen, daß Hermann die Kunst und Kultur des Adels und der Ritter eifrig förderte. In unserem Kontext ist nun von besonderem Interesse, daß sich Walters Altersdichtung u. a. mit Kreuzzugsliedern im Zusammenhang mit der Werbung für den Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. von 1228/29 beschäftigte. In diese Zeit fallen auch die ersten Lieder des berühmten "Tannhäuser" und die ersten Sprüche des unstet von Hof zu Hof ziehenden Reinmars von Zweter , dessen Herkunft lange Zeit umstritten war.

Jenaer Liederhandschrift, Bl 12r

In der berühmten Jenaer Liederhandschrift aus dem 14. Jahrhundert wird der blinde Dichter an mehreren Stellen Reymar von Tzweten genannt, der die dritte Stelle unter den sechs Sängern eingenommen zu haben scheint.

Minnesänger Tannhuser und Reinmar aus der Manessischen Hs.

Wie jener historische Irrtum, dem Sänger Reinmar einen auf n auslautenden Geschlechtsnamen anzuhängen, zustande gekommen ist, erfahren wir aus der Leipziger Dissertation von Gustav Roethe von 1883 mit der Einleitung über Reinmars Leben. Beginnend mit der Jenaer Handschrift sei aus dem ursprünglichen Zweten wohl mit bewusster Anlehnung an das durch eine "Comthurei des deutschen Ordens berühmte thüringische Dorf Zwätzen bei Jena" des öfteren ein "Zwetzen" geworden. Als Beispiel nennt er die Lebensgeschichte des Landgrafen Ludwigs des Heiligen von Caplan Berlt, einer der ältesten Chroniken, die den Wartburgkrieg nennen. Als nächstes, jedoch ebenso unsicheres Zeugniss führt er die Werke des als Spruchdichter überaus produktiven Eisenacher Priesters Johannes Rothe an. Rothe schuf eine umfangreiche Thüringische Landeschronik (1418/19), die er DEME GESTRENGE[N] BRVNEN VON T[O]ITLEIBIN AMCHTMANE VF WARTPERG, dem Burghauptmann der Wartburg, einem guten Bekannten des Autors und in dessen Auftrag verfaßt, widmete. In der Schilderung des Sängerkriegs auf der Wartburg im Jahre 1206 heisst es: "Von der senger krige zu Warpergk": "der ander hiess Walter von der Vogilweide, der dritte Reynhart von Zwetzen, der virde Wolfferam von Eschinbach, diese waren rittermessige man unde gestrenge weppener". Insgesamt gesehen, kann der Nachname auch als Reinmar von Zcwetschin, Czwechtin oder auch Zwetzen verstanden werden. Allerdings sind jene Deutungen wiederum ungewiss, weil von seinen grossen Chroniken nur spätere Abschriften existieren. Er überlieferte die Geschichte vom sagenhaften Sängerkrieg in der "Eisenacher Chronik" (um 1410/15), der "Thüringischen Landeschronik" (1418/19) und der "Thüringischen Weltchronik" (1421), wo als Zeitpunkt des Geschehens das Jahr 1206 angenommen wird. Johannes Rothe, der in der "Thüringischen Chronik" von sechs tugendhaften Männern, darunter einem Reinmar von Zwetzen berichtet, stand selbst der Tradition des Deutschen Ordens in Thüringen überhaupt nicht fern, war ihm doch als Scholasticus (Schulmeister) des Eisenacher Marienstifts sicherlich bekannt, daß der Orden hier vor 1290 die Patronatsrechte besessen hatte. Bemerkenswert an der Landeschronik war auch jene Widmung für den Amtmann und Nachfahren eines Deutschordensritters. Ein weiterer thüringischer Chronist, Georg Michael Pfefferkorn (1646-1732), berichtete 1685 in seiner "Merkwürdigen und Auserlesenen Geschichte von der berühmten Landgrafschaft Thüringen" von der Teilnahme des "Reinhard von Zwezen" am "Reimen-Krieg" auf der Wartburg. Jener Legende von der Herkunft Reinmars bemächtigte sich später auch Wilhelm Ernst Tenzel in seinem Supplementum historiae Gothanae secundem: cognomen habuit a villa Zwetzen, Jenae vicina. Einen vorläufigen Schlußpunkt in der Rezeptionsgeschichte setzte der meiningische Märchen- und Sagensammler Ludwig Bechstein (1801-1860) im 1835 erschienenen ersten Teil seiner Sammlung "Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes", welche wiederum in der Hauptsache auf den Chroniken Johannes Rothes basierte. Auch dieser volksverbundene Dichter griff in seiner Begeisterung für den Sagenschatz die Mähr von den "sechs edlen und tugengendhaften Männern" auf der Wartburg, darunter den legendären "Reinhart von Zwetzen, auch Reinmar Zweter genannt", auf. Bechsteins Thüringer Sagenwerk diente wiederum den 1854/55 Fresken des spätromantischen Malers Moritz von Schwind 1804-1871) als literarische Grundlage für dessen Auseinandersetzung mit dem Sängerkriegsthema auf der Wartburg.

Der Sängerkrieg: Reinmar von Zweter und Heinrich der tugendhafte Schreiber im Vordergrund rechts sitzend

© 2007, Dr. Thomas Pester

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